Die Berufslehre als wichtigster Treiber im Fachkräfteaufbau
Serge Frech, Geschäftsführer von ICT-Berufsbildung Schweiz, zeigte am CNO Panel No. 22 auf, wie sich die Fachkräftesituation aktuell und mittelfristig verhält. Im Interview mit Pascal Sieber spricht er über die Berufslehre als wichtigster Treiber im Fachkräfteaufbau.
Pascal Sieber: Serge Frech, Sie befassen sich schon das ganze Berufsleben mit Bildung. Zuerst in der Armee als Chef Ausbildung im Nachrichtendienst, später beim Branchenverband der Gebäudetechnik suissetec und vielen weiteren Institutionen. Seit über 4 Jahren sind Sie zudem Geschäftsführer von ICT-Berufsbildung Schweiz. Was gefällt Ihnen an dieser Aufgabe?
Serge Frech: Im Gegensatz zu anderen Branchenverbänden ist ICT-Berufsbildung Schweiz noch sehr jung. So, wie das Berufsfeld ICT auch. Es gibt also nur sehr wenige festgefahrene Prozesse, Strukturen, Haltungen und Kulturen.
Dadurch ist die Handlungsfreiheit sehr gross. Dies muss sie auch sein, denn die Herausforderungen gehen uns so bald nicht aus.
Pascal Sieber: ICT-Berufsbildung Schweiz setzt sich unter anderem für die berufliche Grundbildung (Berufslehre) in der Informatik ein. Warum braucht es dafür einen Verein und was bewirkt dieser Verein im Besonderen?
Serge Frech: Wir sind die «Organisation der Arbeitswelt». Somit sind wir Ansprechpartner für Bund, Kantone und Wirtschaft zu allen Fragen im Zusammenhang mit der ICT-Berufsbildung. Ausserdem sind wir rechtssetzend für alle Verordnungen und Dokumente, die für die ICT-Berufsbildung gelten. Das betrifft jährlich immerhin über 10'400 Lehrverhältnisse und über 1'100 Studierende in der Höheren Berufsbildung.
Pascal Sieber: Dass es zu wenig Fachkräfte gibt, um unsere Wirtschaft und Gesellschaft auf die Zukunft vorzubereiten, wird schon seit mindestens 1995 ständig konstatiert. Wie schlimm ist denn der Fachkräftemangel wirklich?
Serge Frech: Unsere Studie zeigt auf, dass wir bis 2030 einen Brutto-Fachkräftebedarf von 119'600 ICT-Fachkräften haben. 65'700 davon sind Ersatzbedarf für Pensionierungen und Abwanderungen. 53'800 davon sind Zusatzbedarf aufgrund der Wirtschaftsentwicklung und des Strukturwandels. Dieser Brutto-Fachkräftebedarf wird jedoch bis 2030 nur zum Teil gedeckt. 43’600 werden zuwandern und 37'800 werden aus dem Bildungssystem zugeführt. 38'700 werden uns jedoch fehlen. Oder mit anderen Worten: Wenn wir unsere Bildungsleistung bis 2030 verdoppeln, hat jede Absolventin, jeder Absolvent einen Job. Und wenn wir den Fachkräftemangel pekuniär betrachten wollen: Die Opportunitätskosten resp. der Wertschöpfungsverlust aufgrund des Fachkräftemangels beträgt bis 2030 ganze 31 Milliarden Schweizerfranken.