Neu gestaltete Fachausweise mit mehr Praxisfokus
Zwei frisch gestaltete Berufsprüfungen mit topaktuellen Inhalten und zeitgemässen Prüfungsformaten eröffnen neue Karrierechancen: ICT-Application Development Specialist und ICT-Platform Development Specialist mit eidgenössischem Fachausweis. Dietmar Eglseder, Leiter Höhere Berufsbildung bei ICT-Berufsbildung Schweiz erklärt, was die beiden modernisierten Abschlüsse auszeichnet.
Die Welt der ICT verändert sich schnell. Damit die ICT-Fachkräfte die auf dem Arbeitsmarkt gefragten Kompetenzen mitbringen, werden die eidgenössischen Abschlüsse regelmässig inhaltlich kontrolliert. Sind sie noch aktuell? Welche Kompetenzen müssen ergänzt werden? Welche sind inzwischen obsolet? Sind die Berufstitel noch repräsentativ und attraktiv? Wie kann die Prüfung optimiert werden? So hat der Verband ICT-Berufsbildung Schweiz auch die beiden eidgenössischen Fachausweise ICT-Applikationsentwickler/in und ICT-System- und Netzwerktechniker/in überprüft. Nachdem die Revision der beiden Profile kürzlich erfolgreich abgeschlossen wurde, stehen nun zwei zukunftsorientierte Fachausweise im Weiterbildungsangebot: ICT-Application Development Specialist und ICT-Platform Development Specialist. Dietmar Eglseder hat die Revisionsprojekte als Leiter Höhere Berufsbildung bei ICT-Berufsbildung Schweiz geführt:
Dietmar Eglseder, was ist neu an den beiden Fachausweisen?
Wir haben in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft die geforderten Kompetenzen auf den neusten Stand gebracht. Das ging beim ICT-Application Development Specialist so weit, dass wir vier Fachrichtungen eingeführt haben. Dann tragen die beiden Fachausweise in Zukunft englische Titel. Das entspricht der Situation auf dem Arbeitsmarkt und stellt auch eine Konsistenz zu den Berufsabschlüssen EFZ von ICT-Berufsbildung Schweiz her. Und letztlich haben wir auch das Prüfungssetting komplett modernisiert.
Dietmar Eglseder, Leiter Höhere Berufsbildung
und Stv. Geschäftsführer bei ICT-Berufsbildung Schweiz
Was ist der Vorteil der Fachrichtungen?
Unsere Analysen haben gezeigt, dass der Arbeitsmarkt im Bereich Applikationsentwicklung nach Spezialisierungen verlangt. Das bisherige Profil war in der Praxis zu generalistisch, daher war auch die Zahl der Absolventinnen und Absolventen rückläufig. Die vier Fachrichtungen Frontend, Mobile, Backend und Data Engineering machen den Abschluss daher sowohl für Weiterbildungsinteressierte als auch für Arbeitgeber attraktiver. Bei Bedarf können später weitere Fachrichtungen definiert werden.
Inwiefern ist das neue Setting der Berufsprüfungen moderner geworden?
Wir haben uns für Prüfungssettings entschieden, die sehr praxisorientiert sind und der Arbeitsrealität entsprechen. Vorher wurde nur schriftlich geprüft. Neu sieht die Prüfungsordnung auch Fachgespräche, Projektarbeiten und virtuelle praktische Prüfungsteile vor. Kandidatinnen und Kandidaten können dadurch ihre Stärken zeigen und vor allem anhand konkreter Arbeiten aus der Praxis ihre Handlungskompetenzen unter Beweis stellen. Die Prüfung ist damit sehr kompetenzorientiert und damit auch gerüstet für das KI-Zeitalter. Nicht neu aber nicht minder erwähnenswert ist die Tatsache, dass wir alle schriftlichen oder virtuellen Prüfungen digital durchführen.
Was zeichnet die Höhere Berufsbildung in der ICT aus?
Erstens die Handlungskompetenz- und die Praxisorientierung. Bei unseren Prüfungen zeigen die Kandidatinnen und Kandidaten, was sie in komplexen Arbeitssituationen können, nicht was sie an theoretischen Grundlagen beherrschen.
Zweitens die unabhängige Prüfungsdurchführung. Die eidgenössische Prüfung wird von ICT-Berufsbildung Schweiz zentralisiert durchgeführt. D.h. alle Kandidaten und Kandidaten durchlaufen dieselbe unabhängige Prüfung, denn die Ausbildung in den Vorbereitungskursen werden von privaten Bildungspartnern angeboten.
Und drittens das hohe Niveau. Die eidgenössischen Fachausweise Wirtschaftsinformatiker/in und Cyber Security Specialist wurden im nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) auf Niveau 6 eingestuft. Im internationalen Vergleich entspricht dies dem Niveau eines Bachelors. Die beiden Fachausweise ICT-Application Development Specialist und ICT-Platform Development Specialist sind zwar noch nicht eingestuft. Wir gehen jedoch stark davon aus, dass auch diese beiden Fachausweise klar auf Niveau 6 eingestuft werden. Erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen eines Fachausweises sind praxiserprobte und kompetente Professionals, die keiner weiteren Einarbeitung bedürfen.
Wann treten die neuen Prüfungsordnungen in Kraft?
Die Prüfungsordnungen traten im August 2023 mit der Genehmigung durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation in Kraft. Somit werden wir bereits im Mai 2024 die ersten Berufsprüfungen im neuen Format durchführen. Verschiedene Bildungspartner von ICT-Berufsbildung Schweiz bieten Vorbereitungskurse an.
Wenn Sie auf den Revisionsprozess zurückblicken, was war besonders herausfordernd? Und worauf sind Sie besonders stolz?
Da wir die konkreten Anforderungen 1:1 mit Expertinnen und Experten aus den Unternehmen erarbeiten, ist es immer eine grosse Herausforderung, genügend Leute an den Tisch zu bekommen. Bei dem riesigen Fachkräftemangel in der ICT sind alle Expertinnen und Experten stark ausgelastet und haben wenig Zeit für Bildungsprojekte. Doch zum Glück gibt es immer noch eine Reihe von Fachleuten und Unternehmen in der Schweiz, denen die Aus- und Weiterbildung ein wichtiges Anliegen ist und die solche Projekte unterstützen. Hier gilt es, einen grossen Dank an alle Beteiligten auszusprechen. Daneben sind es die formalen, administrativen Abläufe in der Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat, die teilweise doch sehr langwierig und nicht schnell genug sind.
Nationale Prüfungsorganisation
Als vom Bund beauftragter Prüfungsträger ist der Verband ICT-Berufsbildung Schweiz dafür verantwortlich, die Aktualität und Qualität der eidgenössischen ICT-Abschlüsse in Kooperation mit der Wirtschaft regelmässig zu kontrollieren und zu erneuern. Der Verband führt zudem die eidgenössischen Berufsprüfungen und Höheren Fachprüfungen durch.
Dieses Interview ist erstmals im Fachmagazin it business (#3/2023) erschienen.